Logotherapie nach Viktor Frankl
„Mensch sein heißt ja niemals, nun einmal so und nicht anders sein müssen,
Mensch sein heißt immer, immer auch anders werden können.“[1]
Viktor Frankl
Viktor Frankl (1905 – 1997) war Professor für Neurologie und Psychiatrie, hauptsächlich in Wien. Neben der Psychotherapie Freuds (erste Wiener Schule) und Adlers (zweite Wiener Schule) gilt die von Frankl entwickelte Logotherapie als die dritte Wiener Schule. Frankl lehnt Freud und Adler jedoch nicht ab, sondern er sieht die von ihm entwickelte Logotherapie als gleichwertige Therapieform an, die sich mit den anderen beiden ergänzt. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass sich in der Logotherapie Elemente der Psychoanalyse finden. Der Begriff Logos, auf dem der Begriff Logotherapie beruht, hat seinen Ursprung im Griechischen und bedeutet soviel wie Geist, Sinn, Vernunft, Denken, Sprache. Eine genauere Beschreibung der Logotherapie sieht daher wie folgt aus:
Die Logotherapie ist die psychotherapeutische Behandlung von Neurosen durch methodische Einbeziehung des Geistigen und Hinführung bzw. Ausrichtung des Kranken auf sein Selbst, seine personale Existenz. Sie ist eine sinnzentrierte psychotherapeutische Behandlungsweise, die dem Patienten ein Identitäts- und Zugehörigkeitsgefühl und einen Sinn des Daseins vermitteln soll.[2]
Auch wenn die Bezeichnung „Neurose“ etwas überholt ist, so finden sich in dieser Definition doch die zentralen Aspekte der Logotherapie.
Es gibt verschiedene Auslegungen und Weiterentwicklungen der Logotherapie. Im Folgenden werde ich begründen, inwiefern die Logotherapie meine Arbeit prägt und warum ich sie in das Menschenbild der Leibphilosophie einbette:
Die Logotherapie ist eine der wenigen Therapieformen, die neben der Vergangenheitsbewältigung ein Hauptaugenmerk auf die Gegenwart und Zukunft des Patienten/der Patientin legt. Da die Ursachen für eine psychische Erkrankung meist in der Vergangenheit liegen, ist es meines Erachtens sehr wichtig, dass in der psychotherapeutischen Arbeit eben nicht ausschließlich an diesem Ort verharrt wird: Konzentriert sich der Patient/die Patientin zu sehr auf die Vergangenheit, so kann es passieren, dass er/sie sich ausschließlich mit seinem Ich aus der Vergangenheit identifiziert. Um jedoch eine psychische Erkrankung bewältigen zu können, wird sehr viel Kraft benötigt. Der Mensch muss nicht nur wissen, sondern auch fühlen, was ihn außer seiner Krankheit in seiner Persönlichkeit ausmacht. Erst wenn sein gesunder Anteil präsent und stark genug ist, kann die Beschäftigung mit der Vergangenheit bei der Heilung helfen. Die Logotherapie fördert also die Distanz zu der eigenen Erkrankung und zugleich die Nähe zu dem gesunden Teil im Menschen. In der Logotherapie wird davon ausgegangen, dass jede/r psychisch Kranke einen Teil in sich hat, der unverwundbar ist, der gesund ist. Diesen gilt es zu stärken. Nur dann, wenn der Patient/die Patientin seine/ihre innere Stärke fühlt, ist er nicht mehr sein Symptom, er hat ein Symptom.“[3]Die Betonung liegt hier auf dem Fühlen der inneren Stärke, dem Fühlen des gesunden Teils. Ein reines „sich Bewusstmachen“ würde in keiner Weise ausreichen, da eine psychische Erkrankung den Menschen eben in diesem geistigen Bereich einschränkt. Ein Mensch mit einem Waschzwang beispielsweise kann sich noch so oft sagen, dass er das Krankhafte an seinem Verhalten versteht. Doch eben darin liegt die Krankheit, dass auch bei großem Wollen, dem Zwang sich zu waschen nicht nachzukommen, das Gefühl gewinnt und das Waschen nicht unterdrückt werden kann. Ausgehend davon, dass zum einen der Mensch zugleich Körper und Geist ist und zum anderen, dass Gefühle leiblich empfunden werden, ist es für den Gesundungsprozess notwendig, das leibliche Empfinden zu beeinflussen, was meines Erachtens nur dann gelingen kann, wenn sowohl der geistige als auch der körperlich-leibliche Bereich des Menschen in die psychotherapeutische Arbeit eingebunden werden.
[1]Frankl, Viktor; Kreuzer, Franz: Im Anfang war der Sinn. Von der Psychoanalyse zur Logotherapie. Ein Gespräch. München 1986, S. 71.
[2]Zitiert aus: Biller, Karl-Heinz und de Lourdes Stiegeler, Maria: Wörterbuch der Logotherapie und Existenzanalyse von Viktor Emil Frankl. Wien 2008, S. 192.
[3]Frankl„a.a.O., S. 22.